Commons-Netzwerke

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Annette Schlemm, Christian Siefkes

Der Kampf um die Commons (siehe den Artikel von Silke Helfrich in diesem Schwerpunkt) wäre zwecklos, wenn nicht gleichzeitig überlegt und gezeigt würde, wie der Wirtschaftsprozess auf nichtkapitalistische Weise neu organisiert werden kann. Mit der Freien Software, die von sich aus erst einmal gar nicht anti-kapitalistisch sein will, ist eine solche neue gesellschaftliche Produktionspraxis entstanden: Viele Menschen organisierten sich selbst, ausgehend von ihren Bedürfnissen, weltweit und in großem Maßstab, um die Dinge herzustellen und zu nutzen, die sie brauchen. Die entstehende Software wird dabei nicht als Ware verkauft, und es braucht weder Kapital noch zentrale Planung.

Natürlich gelingt dies zuerst in einem Bereich, der aufgrund der einfachen Kopierbarkeit nicht ständig wieder Ressourcen braucht, deren Eigentum erst erworben oder erobert werden müsste. Die Basis dieser Praxis ist ein weltweites Kommunikationssystem und die Situation, dass die hierfür nötigen Produktionsmittel, sprich Computer, sich zumeist in privatem Besitz der Beteiligten befinden. Auf diese Weise ist hier die für den Kapitalismus typische Trennung von Arbeitskräften und Produktionsmittelbesitz beseitigt.

Für eine Ausweitung dieser Produktionsweise auf andere Bereiche gelten die gleichen Voraussetzungen: Es muss die technische Möglichkeit der koordinierten Selbstorganisation vorhanden sein, und rechtlich-gesellschaftlich muss das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben werden. Mit anderen Worten: Die Produktionsmittel gehören in die Hände ihrer Nutzer, sie müssen zu Commons werden. Das heißt nicht, dass der Umgang mit ihnen ungeregelt wäre, etwa im Sinne des „Zugriffs des Stärkeren gegen den Schwächeren“ oder im Sinne der „Tragik der Allmende“, sondern es müssen neue gesellschaftliche Formen der produktiven Nutzung entstehen.

Rein technisch wäre eine solche selbstbestimmte Koordination der weltweit vernetzten Produktion auch materieller Güter durchaus möglich. Es stellt sich aber nach wie vor die Frage nach dem Übergang von der durch privates Eigentum an Produktionsmitteln geprägten Gesellschaftsform zu einer freien „... Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Karl Marx). Die Strategie der Arbeiterbewegung beruhte auf einer Enteignung der Enteigner auf revolutionärem Weg. Das Neue an den gegenwärtig diskutierten Überlegungen besteht auch darin, zu berücksichtigen, dass sowieso ständig neu produziert wird. Die Frage heißt nun nicht mehr, wie die Produktionsmittel enteignet werden können, sondern wie wir neue Produktionsmittel von vornherein als Gemeinbesitz (Commons) herstellen können und sie gar nicht mehr in die Spirale kapitalistischer Profiterwirtschaftung hineingeben.

Ein Ansatz hierfür ist Freies Design (Open Design). Es ist denkbar, dass viele von uns, die gute Ideen für die Entwicklung eines Produkts – speziell auch eines Produktionsmittels – haben, zwar nicht gleich eine ganze Fabrik als Gemeinbesitz „hervorzaubern“ können, dass sie aber wenigstens die Ideen, Konstruktionsunterlagen, also das ganze „Design“ öffentlich zur Verfügung stellen und als Gemeinbesitz deklarieren. In diesem Bereich tut sich derzeit eine ganze Menge. Beispiele aus dem Elektronikbereich sind das Arduino-Board, eine einfache Computerplattform, die z.B. die Steuerung von Sensoren ermöglicht, und Openmoko, eine Familie von Handys, deren Hardware und Software fast komplett Open Source sind. Die Appropedia ist ein umfangreiches Wiki, das Freies Design für nachhaltige, preisgünstige Produkte und Produktionsmittel sammelt („angepasste Technologie“). Ein anderes ambitioniertes Projekt ist die Factor E Farm, die ein komplettes Set an Produktionsmitteln für Dörfer und kleine Gemeinden aufbauen will, das „Global Village Construction Set“. Die Website open-innovation-projects.org ist angetreten, ein umfassendes Verzeichnis Freier Design-Projekte aufzubauen – schon nach kurzer Zeit umfasste sie über 50 Projekte.

Beim Freien Design sind nur die Baupläne frei, nicht aber die Dinge selbst. Daneben kennen wir bereits jetzt verschiedene Projekte, in denen Dinge aus dem kapitalistischen Warenkreislauf heraus genommen werden, wie Umsonstläden oder auch Versuche, gegenseitiges Tun nicht mehr mit Geld, sondern mit anderen Verrechnungseinheiten zu verrechnen (Tauschringe). Dabei ging es aber bisher nicht oder höchstens am Rande um Produktionsmittel und die wichtigsten Güter für das Leben, sondern um eine Ergänzung dessen, was auf „normale“ Weise über die kapitalistischen Marktbeziehungen erledigt wird.

Beim Übergang von einer auf Privateigentum zu einer auf Commons und Besitz basierenden Produktionsweise muss es aber tendenziell um alle lebenswichtigen Produkte menschlicher Arbeit gehen. Wenn, wie eben geschildert, nach und nach immer mehr zuerst immaterielle, später auch materielle Dinge als Commons (Gemeingüter) oder Besitz hergestellt werden, muss auch der Umgang mit ihnen auf andere Weise erfolgen als bisher. Commons-Netzwerke sind dabei, entsprechend eines Vorschlags von Christian Siefkes, „lose Netzwerke von Menschen, die auf Gemeingütern beruhen, welche frei geteilt werden und deren Produktion sich aus einem spontanen Prozess der Selbstorganisierung von Bedürfnissen und freiwilligen Beiträgen der Beteiligten koordiniert“. Es gibt bereits Bemühungen, mehr und mehr Hausprojekte dem Immobilienmarkt zu entziehen und sich als Bewohner selbst zu organisieren (Mietshäusersyndikat). Auch für andere Güter entwickeln sich „Nutzerinnen-Gemeinschaften“ (NutziGems).

Die Benutzung der Produktionsmittel und auch ihrer Produkte wird in Commons-Netzwerken nicht mehr als privates Eigentum in die Verfügung eines Eigentümers gestellt, der sie dann kaufen oder verkaufen, vermieten, verpachten usw. kann, sondern es geht um

  • gemeinsame oder geteilte Nutzung von teilbaren Gütern – gleichzeitige Nutzung (z.B. Internetzugang) oder Nutzung nacheinander (Bücher, Wohnungen...),
  • Dinge, die als sog. „Floater“ von einem Nutzer zum nächsten wechseln (weil die ursprüngliche Besitzerin sie nicht mehr braucht),
  • gemeinschaftlich organisierte Sammlungen (z.B. von Werkzeugen) oder auch
  • offene Produktionsstätten (on-demand-Buchdrucker und Kopierer etc.)

Wir befinden uns im Übergang von der Peer-Produktion rein immaterieller Güter, z.B. Software oder Inhalten, zur Peer-Produktion von materiellen Gütern (Hardware, Gebrauchsgegenstände). Für die immateriellen Güter können wir von Erfahrungen mit Freier Software und Freier Kultur ausgehen. Erfahrungen im Bereich „physischer“, d.h. nicht kopierbarer Ressourcen gibt es beispielsweise beim geteilten Zugang ins Internet. Dafür gibt es Freie Funknetze, welche über ein „Peering Agreement“ festlegen, wie Computerbesitzer ein Netzwerk bilden, bei dem sich alle gegenseitig Zugang gewähren, wobei das Netz es auch verkraftet, wenn einzelne „Knoten“ zeitweilig ausfallen.

Für geteilte nicht kopierbare Dinge müssen jeweils besondere Regelungen eingeführt werden, die grundsätzlich von den Nutzerinnen und Nutzern selbst festgelegt werden. Vorschläge, welche Regelungen sinnvoll sind, können aber schon gemacht werden. Für Lizenzen wird gerade das Modell PublicPrivateProperty diskutiert (siehe den Artikel von Thomas Kalka).

In der nächsten Zeit wird sich zeigen, welche der sprießenden neuartigen Projekte in diesem Sinne genügend UnterstützerInnen und MitmacherInnen finden und wie sie sich miteinander kombinieren, um Synergieeffekte zu entwickeln. Finden die bereits bestehenden Projekte, wie NutziGems, Umsonstläden usw. Gedanken wie z.B. die PPP-Lizenzen für sich sinnvoll? Oder entstehen eher völlig neue Projekte? Was jede und jeder selbst tun kann, ist deutlich gesagt:

  • Teile, was Du weißt (Creative Commons, Beteiligung an Freien Design-Projekten...)
  • Teile, was Du hast (und nicht selbst brauchst)
  • Teile, was Du tun möchtest (beginne ein Projekt oder beteilige Dich an einem)

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Dieser Artikel erschien im Contraste-Schwerpunkt zum Thema Peer-Ökonomie (Januar 2009). Er darf unter den Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz »Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland« frei verbreitet, verändert und verändert verbreitet werden, sofern die Autor/innen genannt werden und die Lizenz erhalten bleibt.