Fragen und Antworten

From Peerconomy.org
Jump to navigation Jump to search

Stefan Meretz

Das Konzept der Peer-Ökonomie, das Christian Siefkes in seinem Buch „Beitragen statt tauschen“ (AG SPAK Bücher, Neu-Ulm, 2008) vorgestellt hat, bewegt sich jenseits der traditionellen Denk-Schubladen. Viele der im folgenden dokumentierten Fragen spiegeln das wider. Die Antworten machen hoffentlich deutlich, dass Zuschreibungen wie „das ist wie im Kapitalismus“ oder auch „die Peer-Ökonomie löst alle Probleme“ nicht weiterhelfen. Fragen und Antworten wurden beim Peer-Ökonomie-Wochenende in Hiddinghausen im August 2008 gesammelt.

In dieser Online-Version des FAQs sind auch einige Fragen und Antworten zu finden – u.a. der Fragenbereich zur nicht-materiellen Produktion sowie zusätzliche Fragen aus den Bereichen Grundlagen und Motivation –, die es aus Platzgründen nicht in die gedruckte Version im Contraste-Schwerpunkt geschafft haben.

Grundlagen

Was ist Peer-Produktion?

Peers, also „Gleichrangige“, kooperieren und stellen das her, was sie haben wollen. Dabei ist Herstellen oder Produktion im weitesten Sinne zu verstehen. Es geht um alle Güter und Leistungen, die sich Peers wünschen – und nicht bloß um solche, die verkaufbar sind.

Worauf basiert die Peer-Produktion?

Drei Prinzipien sind hier zu nennen. Erstens geht es um Beitragen statt um Tauschen. In der Marktwirtschaft stellen getrennte Produzenten etwas her, was sie anschließend tauschen. In Peer-Projekten wollen die Projekt-Mitglieder ein Ziel erreichen und tragen zu diesem Ziel bei. Der Aufwand wird unter denen aufgeteilt, die den Erfolg des Projektes erreichen wollen. Es ist also der Nutzen, der die Projekt-Mitglieder motiviert und nicht das Geld.

Zweitens beruht die Peer-Produktion auf freier Kooperation statt auf Zwang. Niemand kann anderen befehlen, etwas zu tun, und niemand ist gezwungen, anderen zu gehorchen. Das bedeutet nicht, dass es keine Strukturen gäbe — im Gegenteil. In der Freien Software gibt es zum Beispiel Maintainer, also Kümmerer, die etwa darüber entscheiden, welche Beiträge angenommen und welche abgelehnt werden. Wenn Menschen mit einem Projekt unzufrieden sind, können sie versuchen, die anderen davon überzeugen, es zu verändern. Und wenn das scheitert, dann können sie das Projekt immer noch forken: Sie können sich von den anderen trennen und ihr eigenes Ding machen.

Drittens beruhen Peer-Projekte auf Commons und Besitz statt auf Eigentum. Besitz ist etwas, das benutzt werden kann, Eigentum hingegen etwas, das verkaufbar ist. Commons stehen allen gemeinsam zu – sie können verschiedenen Eigentumsformen unterliegen, entscheidend ist aber, dass sie nicht gekauft und verkauft werden. Commons können Input oder Output von Peer-Projekten sein – oder beides. Güter werden hergestellt, um sie – als Commons oder Besitz – zu benutzen, nicht um sie – als Eigentum – zu verkaufen.

Was ist Peer-Ökonomie?

Peer-Ökonomie ist die Verallgemeinerung der Peer-Produktion – die es in einigen Bereichen bereits heute gibt – auf die ganze Gesellschaft. Dabei kann die ganze Gesellschaft als ein großes Peer-Projekt betrachtet werden, das seinerseits aus einer Vielzahl von Peer-Projekten besteht.

Aufwandsverteilung

Wie wird sichergestellt, dass notwendige, aber unbeliebte Aufgaben erledigt werden?

Zunächst einmal kann versucht werden, unbeliebte Aufgaben wegzuautomatisieren. Wenn das nicht geht, gibt es die Möglichkeit, die Aufgaben angenehmer zu machen: unterhaltsamer, interessanter oder anspruchsvoller. Aber Automatisierung und Freude reichen nicht aus, um wirklich alle notwendigen Aufgaben erledigt zu bekommen. Die Idee des Peer-Ökonomie-Konzepts ist hierbei, den entstehenden Aufwand auf eine Weise aufzuteilen, die alle Beteiligten akzeptieren können. Dabei gibt einen gegenseitigen Ausgleich geleisteter Aufwände. Zu diesem Zweck werden Aufgaben gewichtet und über ein gemeinsames internetbasiertes System versteigert. Dort bekommen besonders unbeliebte Aufgaben ein hohes Gewicht, während beliebte Aufgaben niedrig gewichtet sind. Da die Basis der Zeitaufwand ist, kann es sein, dass ein Stunde Heizungsreparatur zehn Stunden Artikelschreiben entspricht – oder umgekehrt.

Wie wird die Höhe der aufzuwendenden Beiträge festgesetzt?

Die Höhe der Aufwände ergibt sich aus den Schätzungen der Beteiligten, die die Aufgabe erledigt bekommen wollen, und den Erfahrungen aus früher erledigten Aufgaben gleicher Art. Wer eine Aufgabe im Versteigerungssystem eingibt, schätzt auch ihren Aufwand. Dieser Aufwand wird anschließend durch die Gewichtung dynamisch nach Angebot und Nachfrage verändert.

Wie erfährt der Anbieter/Übernehmer einer Aufgabe, welche Aufwandszeit notwendig ist?

Sowohl Anbieter wie Übernehmer einer Aufgabe können sich an den vorausgegangenen Aufwänden orientieren und diese als Maßstab für eine Einschätzung der aktuellen Aufgabe nehmen. Beides ist im Versteigerungssystem sichtbar. Wie heute bei eBay können auch zusätzliche Kommentare zum Anbieter für den Übernehmer hilfreich sein.

Wie wird mit der Aufwandszeit verfahren, gibt es eine Kontrolle?

Grundsätzlich erfolgt die Übernahme einer Aufgabe freiwillig. Folglich gibt es auch keine Kontrolle. Diese ist auch nicht notwendig, da es unerheblich ist, ob jemand eine Aufgabe schneller oder langsamer erledigt als per Versteigerung verabredet. Jede/r kann über die Umsetzung selbst entscheiden. Falls jedoch der Aufwand aufgrund unvorhergesehener Ereignisse erheblich über der Verabredung liegt, ist eine neue Verabredung erforderlich.

Wie gehen die in Vorprodukten steckenden Aufwände in die Bestimmung des Gesamtaufwandes ein?

Ein Gesamtaufwand kann einfach durch Summation der Teilaufwände bestimmt werden – und zwar sowohl der selbst geleisteten Aufwände wie der mit Vorprodukten „importierten“ Aufwände. Eine solche Gesamtbilanz kann sinnvoll sein, wenn es um Entscheidungen geht: Soll dieses große zentrale Kraftwerk gebaut werden oder lieber 50 dezentrale kleine Blöcke?

Was geschieht, wenn jemand geleisteten Aufwand „hortet“?

Warum sollte das jemand tun? „Horten“, also das Ansammeln von geleistetem Aufwand über ein Maß hinaus, das zum Erlangen „teurer“ Güter notwendig ist, wäre nur sinnvoll, um mit diesem Aufwand andere Arbeitskraft zu kaufen. Diese würde wiederum – sofern sich überhaupt jemand darauf einlässt – nur genau jenem Aufwand entsprechen, den der „Horter“ bereits geleistet kann.

Könnte jemand mit gehortetem Aufwand andere Arbeitskraft ausbeuten?

Ein „Kauf“ von Arbeitskraft zwecks Ausbeutung würde zwei Dinge voraussetzen: Erstens müsste es „freie Arbeiter“ geben, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Zweitens müsste es einen Markt zum Tausch von Produkten geben, die durch die Arbeitskraft hergestellt wurden. Beides ist jedoch nicht der Fall. Im Kapitalismus arbeiten ArbeiterInnen bzw. Angestellte immer länger als zur Erwirtschaftung ihres Lohns erforderlich – diese Mehrarbeit ist die Grundlage des Profits und die einzige Ursache, warum sie überhaupt angestellt werden. In der Peer-Ökonomie können sich die Menschen direkt an der gesamtgesellschaftlichen Produktion beteiligen – sie haben es nicht nötig, sich selbst zu verkaufen und Mehrarbeit für andere zu leisten.

Wie wäre es mit einem bedingungslosen Aufwandseinkommen?

Das ist eine gute Idee! Wenn sich die Peer-Gesellschaft dazu entschließt, dann kann ein bedingungsloses Aufwandseinkommen einfach per Umlage eingerichtet werden. Alle Projekte erbringen einen zusätzlichen Aufwand, der anschließend allen Menschen wieder pauschal gut geschrieben wird.

Gibt es Arbeitslosigkeit?

Da es keine Arbeit im Sinne von Lohnarbeit gibt, existiert es auch keine Arbeitslosigkeit. In der Regel kann jede/r Mensch etwas beitragen, sofern er oder sie nicht von der Beitragspflicht ausgenommen ist (wie Kinder, Kranke, Ältere, Auszubildende etc.). Von den Aufgaben, die nachgefragt werden, für die es also ein gesellschaftliches Bedürfnis gibt, sucht sich jedeR die Aufgaben aus, die ihm oder ihr am besten gefallen – da dürfte praktisch immer etwas dabei sind. Und wenn gesamtgesellschaftlich (z.B. Dank verstärkter Automatisierung) weniger zu tun ist, haben künftig alle (noch) mehr freie Zeit als bisher – statt Überarbeitung für manche und Arbeitslosigkeit und Armut für andere.

Verteilung

Wie werden die produzierten Güter verteilt?

Vorgeschlagen werden vier Formen der Verteilung, die den jeweiligen Besonderheiten der Güter und ihrer Herstellung Rechnung tragen. Erstens gibt es die Flatrate, die eine freie Entnahme gegen einen festen Aufwand erlaubt. Das ist bei reichlich verfügbaren Güter eine sinnvolle Verteilform. Die flache Allokation, zweitens, ist eine Flatrate, die auf eine Einheit begrenzt ist. Diese Einheit von etwas – das kann ein Bündel von Gütern oder auch nur ein Stück (ein Auto etc.) sein – wird gegen eine feste Aufwandsmenge verteilt. Diese Verteilform kann bei Gütern mit hohem Aufwand zum Tragen kommen. Drittens wird bei der Verteilung nach Aufwand der individuelle Produktionsaufwand bestimmt. Hierbei spielt die Gewichtung eine wichtige Rolle, da so individuelle Präferenzen mit in die Aufwandsbestimmung eingehen. Will jemand also ein bestimmtes besonderes Produkt haben, für das zusätzlicher Produktionsaufwand erforderlich ist, so muss im Gegenzug ein entsprechender Aufwand zu einem Projekt beigesteuert werden. Die vierte Form ist schließlich die Produktversteigerung. Sie funktioniert ähnlich wie die Aufwandsversteigerung, nur geht es hier um Produkte, die auch durch zusätzlichen Aufwand nicht beliebig produzierbar sind. So lässt sich eine „schöne Lage“ eines Haus nicht beliebig herstellen. Wer ein solches Haus dennoch haben will, muss bereit sein, für die individuelle Präferenz auch zusätzlichen Aufwand einzubringen. Dieser zusätzliche Aufwand – der alle anderen ein Stück entlastet – wird per Versteigerung bestimmt.

Wie wird die Verteilung über Projektgrenzen hinweg geregelt?

Projekte können sich zu Verteilungspools zusammenschließen. Im Kern geht es um die gegenseitige Verabredung, dass Beiträge zu einem Projekt die Entnahme von Gütern aus einem anderen Projekt erlauben. Ziel ist es, zu möglichst großen und weitreichenden Zusammenschlüssen zu kommen. Idealerweise gibt es in einer entwickelten Peer-Ökonomie nur einen globalen Verteilungspool.

Könnte man sagen, dass in der Peer-Ökonomie ein Produkt immer im Auftrag hergestellt wird?

Das ist ein interessante Formulierung, sie trifft jedoch nur zum Teil zu. Richtig daran ist, dass nicht erst isoliert voneinander produziert und danach getauscht wird, sondern dass vorher per Nachfrage und Angebot über das internetbasierte System ermittelt wird, was überhaupt gebraucht wird und erst dann die Produktion startet. Allerdings sind viele Bedürfnisse ohnehin bekannt, so dass hier der „Auftrag“ bereits gegeben ist. Beispiele sind die Nahrungsmittelversorgung, Bildung, Kinderversorgung, Gesundheitsdienste, öffentlicher Transport etc.

Wer entscheidet, ob ein Projekt zulässig ist oder nicht?

Die beteiligten Personen.

Welches Projekt oder individuelle Leistung wird als Beitrag gesellschaftlich anerkannt?

Die Anerkennung erfolgt in dem Maße, wie andere Menschen bereit sind, dafür ihrerseits einen Aufwand zu leisten – für die es also ein Bedürfnis gibt, das befriedigt werden kann.

Qualifikation

Welche Rolle spielt die individuelle Qualifikation?

Von zwei Seiten gibt es ein Interesse an hoher Qualifikation. Zunächst ist eine hohe Qualifikation individuell anstrebenswert, weil sie oft die Voraussetzung für interessante und vielseitige Tätigkeiten ist, die man andernfalls nicht übernehmen könnte. Andererseits haben Projekte ein Interesse an hoher Qualifikation, weil die selbst gesetzten Ziele so besser erreicht werden. Projekte und lokale Assoziationen (Zusammenschlüsse aller Menschen in einer Region) können sich daher entschließen, den Erwerb zusätzlicher Qualifikation von Mitgliedern als Aufwand anzuerkennen.

Haben Höherqualifizierte eine privilegierte Position?

Nein, denn Qualifikation ist nicht mit größerer Entscheidungsmacht verbunden. Entscheidungsmacht regelt sich in der Peer-Ökonomie über Vertrauen und Reputation.

Geld

Hat die Notierung des Aufwands die Funktion von Geld?

In einem sehr eingeschränkten Sinne hat die Aufwandsnotierung die Funktion von Geld: Es können Aufwände verrechnet werden. Allerdings entsprechen die notierten Aufwände nicht den wirklich geleiteten Tätigkeiten, die ohnehin nicht miteinander vergleichbar sind, sondern durch die Gewichtung enthalten die notierten Aufwände die gesellschaftlichen Bedürfnisse. Das ist beim kapitalistischen Geld nicht der Fall. Andere Geldfunktionen fehlen überdies völlig: Kapitalbildung, Kauf von Arbeitskraft und Ausbeutung, Spekulation etc.

Hat Angebot und Nachfrage in der Peer-Ökonomie die gleiche Funktion wie in der Marktwirtschaft?

Nein. In der Marktwirtschaft beziehen sich Angebot und Nachfrage auf Waren – seien es Produkte oder auch die Ware Arbeitskraft. In der Peer-Ökonomie spiegeln Angebot und Nachfrage die Bedürfnisse wieder und steuern die Aufwandsverteilung. Bevor also überhaupt Produkte in die Welt kommen, wird entschieden, welche das sein sollen und ob genügend Menschen bereit sind, den dafür nötigen Aufwand aufzubringen.

Könnte nicht jemand wieder einfach „Geld“ einführen?

Theoretisch könnte das jeder tun. Aber da es keinen Markt und keinen Tausch gibt – wofür sollte Geld gut sein? Welche Vereinfachung oder Entlastung könnte Geld bringen, wenn es keinen Tausch von Produkten gibt? Wer sollte ein willkürlich eingeführtes Geld haben wollen, wenn alle Bedürfnisse auch so befriedigt werden können? Vielleicht müssen sich diejenigen, die unbedingt Geld haben wollen, dann mit historischen Spielen wie „Monopoly“ zufrieden geben.

Ressourcen

Wer entscheidet über die Nutzung natürlicher Ressourcen?

Natürliche Ressourcen sind Commons, sie werden lokal verwaltet, aber gemeinsam genutzt. Lokale Assoziationen sind die Besitzer der Ressourcen, jedoch nicht ihre Eigentümer. Das bedeutet, sie können sie nutzen, aber nicht als Privateigentum verkaufen (was ohnehin nicht geht) oder anderweitig exklusiv behandeln. Im Gegenteil, es ist für lokale Assoziationen vorteilhaft, Ressourcen zu poolen, d.h. sich mit anderen Assoziationen zusammenzuschließen und die verfügbaren Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Bei der Verteilung der natürlichen Ressourcen können die bereits oben beschriebenen Verteilmodelle angewendet werden.

Wie werden Übernutzung oder andere Nachteile bei der Förderung von natürlichen Ressourcen vermieden?

Da natürliche Ressourcen als Commons, also als Besitz verwaltet werden, entscheidet die lokale Assoziation über ihre Nutzung. Dabei wird sie Vor- und Nachteile abwägen. Wenn etwa der Förderung eine Zerstörung anderer Commons – anderer natürlicher Ressourcen – gegenüber stehen, wird sie u.U. gegen die Förderung entscheiden. Es gibt also keinen abstrakten Mechanismus wie etwa die Geldlogik, die über ökologische oder soziale Belange der Menschen vor Ort hinweg geht, sondern es sind die Menschen vor Ort, die ihre Bedürfnisse zur Geltung bringen.

Zu diesen Bedürfnissen gehört aber auch, von anderen lokalen Assoziationen, mit denen ein gemeinsamer Verteilungspool vereinbart ist, solche Ressourcen zu bekommen, über die man nicht selbst verfügt. Hier sind also Entscheidungsverfahren gefragt, die sowohl verhindern, dass „von oben“ diktiert werden kann, was lokal geschieht, als auch, dass lokal aus bornierten Interessen oder zufällig privilegierten Situationen heraus willkürlich und einseitig Ressourcen zurückgehalten werden. – Das hierfür vorgeschlagene gestaffelte Räte-Modell ist im Buch ausführlich beschrieben.

Was geschieht, wenn eine Region oder ein Land keine Ressourcen hat?

Die Beteiligung an einem Verteilungspool hängt nicht davon ab, ob eine Gegend viele oder wenige Ressourcen hat – Ressourcen sind Commons und stehen allen gleichermaßen zu. Nur wenn eine Region, die Ressourcen hat, „mauert“ und sich ohne guten Grund weigert, diese in den Pool einzubringen, könnten die anderen ihr im Gegenzug ebenfalls den Zugriff auf die eigenen Ressourcen verweigern.

Materielle Produkte und Produktionsmittel

Welche Voraussetzungen müssen für die materielle Produktion gegeben sein?

Für die Produktion von stofflichen Gütern sind Produktionsmittel, Produktionskonzepte, Produktpläne, Vorprodukte oder andere Ressourcen, qualifizierte Menschen, Boden usw. erforderlich – eben was für die jeweilige Produktion so alles erforderlich ist. Wichtig ist, dass die Art und Weise der Produktion und der Produkte selbst bestimmt werden kann. Auch hier fließen also die Bedürfnisse der Beteiligten mit ein. Es gibt keinen Verkaufszwang, von dessen Erfolg das Überleben des Betriebes und der Menschen abhängig ist. Hier können frühere Konzepte der Solidarischen Ökonomie erst richtig zur Geltung kommen. Wahrscheinlich wird Modularität – aufeinander aufbauende und flexibel kombinierbare Teilkomponenten, die jeweils mit begrenztem Aufwand herstellbar sind – eine große Rolle spielen.

Was ist mit den Produktionsmitteln?

Produktionsmittel sind Besitz der Projekte, die damit produzieren – sie sind jedoch kein Eigentum. Dieser Unterschied wurde schon mehrfach herausgehoben. Besitzer sind immer diejenigen, die den Besitz nutzen. Nutzen sie ihn nicht mehr, geht der Besitz auf die neuen NutzerInnen über. NutzerInnen sind auf diese Weise immer auch die KümmerInnen. Oder anders ausgedrückt: Commons und Commoners gehören immer zusammen.

Nicht-materielle Produkte

Was ist mit Dienstleistungen?

Zwischen stofflichen und nicht-stofflichen Produkten gibt es grundsätzlich keinen Unterschied. Beide benötigen Aufwand, und dieser Aufwand wird gesellschaftlich anerkannt, wenn er Bedürfnisse befriedigt.

Was ist mit kulturellen oder wissenschaftlichen Beiträgen, die kein direktes Produkt ergeben?

Auch kulturelle oder wissenschaftliche Beiträge sind ein gesellschaftliches Produkt. Es mag sein, dass sie nicht als „abgeschlossene Sache“ auftreten, sondern vielfältig mit anderen Aktivitäten vermittelt sind. Entscheidend ist jedoch, ob es ein gesellschaftliches Bedürfnis nach den Resultaten dieser Beiträgen gibt, sie also anerkannt werden.

Was ist mit Beiträgen, die nicht anerkannt werden?

Wer etwas tun möchte, wofür kein gesellschaftlicher Bedarf besteht – wo also niemand bereit, den Aufwand anzuerkennen – wird sich sich überlegen, ob er oder sie den Beitrag auch so leistet (ohne dass der Aufwand anerkannt wird), oder ob er dann lieber darauf verzichtet. Grundsätzlich sollte immer viel Spielraum für Aktivitäten bleiben, die nicht als Aufwand anerkannt werden, da der notwendige Aufwand, den jede und jeder mindestens leisten muss, wesentlich geringer ist, als unter kapitalistischen Verhältnissen. Es gibt Berechnungen, nach denen schon jetzt in der BRD eine Fünfstunden-Woche möglich wäre (Darwin Dante), wenn alle Potenziale ausgeschöpft und überflüssige und nutzlose Dinge – wie die Geldwirtschaft – wegfallen.

Gesellschaftliche Vermittlung

Wie wird die Wünschbarkeit vor der Produktion geklärt?

Es gibt zwei Arten von Wünschen: als Produzent und als Nutzer. Tendenziell rücken beide Sichten zusammen, sie können aber trotzdem getrennt betrachtet werden. Produzenten wünschen sich gute Bedingungen, Freunde, Anerkennung, Entfaltung usw. Sie werden diese Wünsche unmittelbar in den Produktionsprozess einbringen, der ja ihrer ist und den sie unmittelbar gestalten. Nutzer wünschen sich gute Produkte, eine gute Lebensumwelt, schöne soziale Beziehungen usw. Sie melden ihre Wünsche über das zentrale Versteigerungssystem an und erhalten die Produkte nach dem entsprechenden Verteilmodell (Flatrate etc.).

Wie werden die Produktionsnotwendigkeiten aufeinander abgestimmt?

Produktionsnotwendigkeiten regeln sich, verkürzt formuliert, über die notwendigen Stoff-, Energie- und Informationsflüsse. Alle diese Flüsse sind mit Aufwänden verbunden, die entweder importiert, selbst geleistet oder exportiert werden. Da die Aufwandsbilanz insgesamt immer Null ist, sich Nutzen und Aufwand stets ausgleichen müssen, gibt es eine lokale Regelgröße, an die sich die Betreiber-Projekte halten müssen, um weiter beliefert zu werden oder Produkte abgeben zu können. Projekte, die andere unfair behandeln und etwa importierte Aufwände nicht ausgleichen, können nicht erwarten ihrerseits fair behandelt zu werden. Es gibt also ein Bestreben, alle Beteiligten zufrieden zu stellen.

Wie kommt es zu gesamtgesellschaftlichen Regelungen?

Während Peer-Projekte sich um die Herstellung von Produkten kümmern, sorgen lokale Assoziationen dafür, die Infrastruktur und Versorgung vor Ort zu regeln. Lassen sich Produktion und Infrastruktur nicht lokal organisieren, so können überregionale Assoziationen und entsprechende Räte eingerichtet werden. Und wenn das nicht reicht, sind Zusammenschlüsse auf superregionaler oder auch globaler Ebene möglich – je nach zu lösendem Problem. Delegierte sind nach unten rechenschaftspflichtig und können gegebenenfalls abberufen werden, wenn der Eindruck entsteht, dass lokale Interessen verletzt werden. Das Prinzip des imperativen Mandats kann erst in der Peer-Ökonomie voll zur Geltung kommen, weil es hier keine anderen – etwa über Geld vermittelten – Regelungsformen gibt, die die direkten Entscheidungen beeinflussen oder außer Kraft setzen könnten.

Muss es gesellschaftliche Normierungen geben?

Der Peer-Ökonomie liegt ein ungeschriebenes Gesetz zu Grunde: Menschen unterstützen sich dabei gegenseitig, die Bedürfnisse aller zu befriedigen. Diese Maxime ist in die Praxis der Peer-Produktion eingeschrieben. Commons und Commoning, Gemeingüter und auf die Nutzung und den Erhalt der Gemeingüter bezogenes Handeln bilden eine Einheit. Es gibt keine äußeren, entfremdeten Prinzipien wie etwa das Profitprinzip, das rücksichtslos in die Gemeinschaften vor Ort hineinfährt und ihnen neue Bedingungen aufdrückt oder gar Lebensgrundlagen entzieht – etwa um der Verwertung Willen. Gleichwohl kann es über solche impliziten Regelungen hinaus sinnvoll sein, Leitlinien oder Handlungsnormen zu verfassen, die bei Verstoß mit öffentlicher Kritik und schlimmstenfalls Ausgrenzung geahndet werden.

Wie ist der gesamtgesellschaftliche Nutzen in den einzelnen Projektzielen enthalten?

Zunächst einmal sind abstrakte Mechanismen wie die der Geldlogik und der Verwertung ausgeschlossen. Damit entfallen „dritte Gründe“, sondern alle Handlungsgründe sind „erster Person“, d.h. sie gehen von den Bedürfnissen der Menschen aus. Diese Gründe erster Person bestimmen auch die Projektziele. Da in der Peer-Ökonomie jeder Einzelne nicht isolierter Warenmensch, sondern aktiver gesellschaftlicher Mensch ist, kann jeder Einzelne direkt oder indirekt auch Einfluss auf gesamtgesellschaftliche Ziele nehmen. Diese Ziele sind der Handlungsrahmen für die Projektziele. Die Menschen in einer Peer-Ökonomie haben also nicht nur ein unmittelbares Interesse an der Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse, sondern sie können darauf auch praktisch Einfluss nehmen.

Wo sind Steuerungsmechanismen in die Projekte eingebaut, die ggf. absolute Grenzen setzen?

Es gibt keine abstrakten Steuerungsmechanismen, die Projekten vorgegeben sind. Sondern absolute Grenzen ergeben sich nur aus dem Zusammenwirken und dem Verhandeln aller gesellschaftlichen Bedürfnisse im Angesicht der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen. Diese Bedürfnisse können in Konflikte geraten, aber es gibt zahlreiche Konfliktlösungsmechanismen, um diese aufzulösen und einen groben Konsens herbeizuführen. Solche Konfliktlösungsmechanismen können durchaus dazu führen, dass ein bestimmter Konsens auch als Rahmenbeschränkung festgeschrieben wird – etwa, dass Transportmittel nur noch gebaut werden dürfen, wenn ihre Nutzung keine fossilen Energien verbraucht etc.

Motivation

Was motiviert mich, etwas beizutragen?

Die Grundmotivation zum Handeln kommt aus der tendenziellen Übereinstimmung von gesellschaftlichen und individuellen Zielen. Wenn meine individuelle Entfaltung keine beschränkte oder isolierte Form hat, wenn mein Beitrag anerkannt wird, weil er insgesamt sinnvoll ist und andere Bedürfnisse befriedigt, dann fühlt sich der eigene erbrachte Aufwand, die eigene Entfaltung auch selbst gut und sinnvoll an. Solche Inseln der Selbstentfaltung gibt es bereits schon unter kapitalistischen Bedingungen. Und man kann beobachten, dass überall dort, wo die Beschränkungen minimal sind, die Menschen über sich hinauswachsen. Sind solche Bedingungen erst einmal allgemein, können bislang unvorstellbare individuelle Potenzen realisiert werden, weil sie mit hoher Zufriedenheit einhergehen.

Wie kann das Problem der Trittbrettfahrerei geregelt werden?

Im Idealfall durch Ignoranz. Auch heute bereits ignoriert die Freie Softwarebewegung in der Regel Trittbrettfahrer, die sich unter Nutzung der Freien Produkte bereichern wollen – sofern die Lizenzbedingungen respektiert werden. In der Peer-Ökonomie gibt es das Bereicherungsmotiv nicht mehr.

Bleibt die alleinige Nutzung der geschaffenen Produkte ohne selbst einen Beitrag zu leisten, obwohl man könnte. Dies dürfte ein extremer Ausnahmefall sein, der tolerabel ist. In der großen Mehrheit wollen Menschen auch an der gesellschaftlichen Sorge und Vorsorge teilhaben, wollen sich beteiligen und Einfluss ausüben, weil das nicht nur ihr Leben betrifft, sondern ihr Leben ausmacht.

Ausnutzen und Trittbrettfahrerei ist eine Verweigerungsform unter Verhältnissen, wo Menschen zu etwas gezwungen werden. In einer Peer-Ökonomie – zumal, wenn die Grundversorgung über ein bedingungsloses Aufwandseinkommen abgedeckt ist – kann niemand jemand anderen zu etwas zwingen. Jede Beteiligung ist freiwillig.

Ist das Modell vergleichbar mit dem sozialistischen Wettbewerb in der DDR?

Nur sehr entfernt. In der DDR gab es betrieblich zwar kaum einen direkten ökonomischen Zwang (andere Zwänge hingegen schon), doch dieser fehlende ökonomische Druck führte nicht dazu, dass die Menschen ihre Potenziale entfalten konnten. Dies taten sie meistens eher außerhalb der Produktion in der Freizeit. Eine wesentliche Ursache dafür war die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Weltmarkt und der durchgreifenden Unterversorgung aller Bereiche der Ökonomie. Die Warenwirtschaft der DDR war zu wenig kapitalistisch, um auf dem Weltmarkt die Ressourcen zu erlangen, die erforderlich gewesen wären. Sie war andererseits soweit kapitalistisch ausgerichtet, dass ihr Wohl und Wehe von erfolgreicher Warenproduktion abhing, da sie voll in die Geld- und Tauschlogik eingebunden war und diese auch intern anwendete. Die strukturelle Unterversorgung führte zudem zu einer Ressourcenblindheit.

Der sozialistische Wettbewerb war ein Versuch, über ideelle Anreize die Menschen zu einer Verbesserung der Leistungen zu „überreden“. Das funktionierte jedoch nur begrenzt, da jede Überredung wie jeder Zwang niemals an echte Motivation auf der Basis freiwilliger Tätigkeit heran reichen kann.

Übergangsphase

Wie kann der Übergang vom Kapitalismus zur Peer-Ökonomie aussehen?

Die Übergangsphase ist ein Thema für sich – das schwierigste, was wir uns im Moment vorstellen können. Es ist die Frage, wie wir aus dem Kapitalismus heraus die Peer-Ökonomie aufbauen können. Dazu gibt es eine Reihe von Ideen, die auf die Formel hinauslaufen: Wo immer es geht, die Commons verteidigen und die kapitalistische Inwertsetzung verhindern, und wo immer es geht, die commonsbasierte Peer-Produktion aufbauen.

Dieser Prozess ist kein frommer Wunsch für die Zukunft, sondern er ist bereits in vollem Gange – auch wenn die Überschriften mitunter sehr verschieden sein können: Freie Software, Verteidigung der Biodiversität, Kampf gegen Patente auf Leben, Bewegung der Landlosen, Freie Kulturbewegung, indigene Bewegungen zur Verteidigung der lokalen Lebensbedingungen, interkulturelle Gärten usw. Es kommt darauf an, zu verstehen, dass diese Bewegungen am gleichen Strang ziehen – um langfristig gemeinsam besser handeln zu können.

Woher kommt in der Übergangsphase das Geld, um die Produktionsmittel zu kaufen?

Das ist eine schwierige Frage. Es sind verschiedene Formen denkbar. Übliche Formen wie Spenden und Sponsorenschaft sind sicherlich begrenzt, aber nutzbar. Vorstellbar sind Formen wie sie das Miethäuser-Syndikat verwendet. Dort dienen die vereinbarten Mieten dazu, neue Häuser zu übernehmen und zu entschulden. Die gesparten Zinszahlungen werden für weitere Ankäufe genutzt, wobei das Eigentum der Gemeinschaft gehört und damit den Charakter von Besitz bekommt: Niemand kann es verkaufen, und die darin wohnen, besitzen es.

Übertragen hieße das: Feste monetäre Beiträge für die Nutzung von bestimmten Ressourcen oder Produkten werden verabredet. Die Gelder werden genutzt, um Produktionsmittel und Rohstoffe zu kaufen, um dann ausschließlich für den eigenen Bedarf produzieren. Statt monetären Beiträgen sind auch Beiträge in Form von Aufwandsleistungen möglich. Schrittweise wird der monetäre Anteil durch einen Aufwandsbeitrag ersetzt in dem Maße, wie unterschiedliche Produktionen und Produkte hinzukommen und immer mehr Bedürfnisse befriedigt werden können.

Wichtig ist: Es gibt zwar einen monetären Import – anders lässt sich das unter den gegebenen Geldverhältnissen nicht beginnen –, aber es gibt keinen Export von Produkten, der auf einen externen Markt gebracht wird, um Geld zu erlösen. Damit ist die interne Produktion vom externen Markterfolg unabhängig und Marktzwänge wie die Konkurrenz etc. können nicht in die Produktion hineinregieren. Alle neu erworbenen Mittel werden Gemeingüter, d.h. sie werden als Besitz und nicht als (verkaufbares) Eigentum behandelt.

Wird sich denn das Reißbrett-Modell der Peer-Ökonomie überhaupt durchsetzen lassen?

Das vorgeschlagene Modell dient nicht dazu, genau so umgesetzt zu werden. Dazu sind die Überlegungen noch viel zu grob. Sondern das Ziel war, zu zeigen, dass sich die Prinzipien der commonsbasierten Peer-Produktion, wie wir sie zum Beispiel aus der Freien Software kennen, auf alle Produkte und alle Bereiche der Gesellschaft übertragen lassen. Die Skizze ist in diesem Sinne vollständig, aber sie ist eben nur eine Skizze. In der Praxis entscheiden ohnehin die handelnden Menschen vor Ort, was zu tun ist. Es wird also notwendigerweise zu ganz anderen Formen kommen, als im Peer-Ökonomie-Konzept vorgeschlagen ist. Die Grundidee sollte sich insgesamt jedoch durchsetzen, denn dieser Prozess hat schon begonnen.

Ist es vorstellbar, dass die gegenseitige Aufwandsaufteilung irgendwann ganz beendet wird?

Wenn die Peer-Ökonomie sich einmal durchgesetzt hat und auch die schlimmsten Verheerungen des Kapitalismus beseitigt sind, dann ist es durchaus vorstellbar, dass die Kopplung von Geben und Nehmen schrittweise beendet wird. Die Kopplung von Geben und Nehmen wird ganz am Anfang in der Übergangsphase noch am stärksten sein, während sie dann zunehmend dadurch abgebaut wird, dass immer mehr Produkte in den Verteiltyp der Flatrate übergehen bis auch diese irgendwann wegfallen kann.

Weitere Fragen

Wo kann ich mehr erfahren?

Im Buch von Christian Siefkes: Beitragen statt tauschen. Materielle Produktion nach dem Modell Freier Software. AG SPAK Bücher, Neu-Ulm, 2008.

Auf der Website zum Buch: http://peerconomy.org/wiki/Deutsch (dort gibt es auch das gesamte Buch zum Download, Lizenz: CC-BY-SA).

Und im Gemeinschaftsblog keimform.de, wo Fragen und Entwicklungen rund um die Peer-Ökonomie und verwandte Konzepte diskutiert und dokumentiert werden.

Ich habe noch viel mehr Fragen, was kann ich tun?

Diese Liste beantwortet keinesfalls alle Fragen. Weitere Fragen können gerne gestellt werden – einfach einloggen und auf den "edit"-Link klicken, um die Frage an geeigneter Stelle in diese Seite einzufügen.


Dieser Artikel erschien im Contraste-Schwerpunkt zum Thema Peer-Ökonomie (Januar 2009). Er darf unter den Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz »Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland« frei verbreitet, verändert und verändert verbreitet werden, sofern der Autor genannt wird und die Lizenz erhalten bleibt.